Grübeln & Gedankenkreisen

Grübeln

Irgendwann fängt es an: dieses nervige, lähmende und nicht zu stoppende Grübeln. Vielleicht ist etwas im Leben passiert, bei dem man das Gefühl hatte, keine Kontrolle zu haben. Man überlegt hin und her, ob man anders hätte handeln können. Die Gedanken kreisen, hauptsächlich nachts, sodass es schwer fällt, einzuschlafen. Man grübelt vor sich hin und macht sich Gedanken, wie man etwas lösen kann, was vielleicht am nächsten Tag auf einen zukommt. Vielleicht ist es ein bevorstehendes, schwieriges Gespräch oder ein finanzieller Engpass, der einem Sorgen bereitet. Man beginnt nachzudenken. Vielleicht versucht man am Anfang sogar noch zu einer konstruktiven Lösung zu kommen. Dabei versucht man Fakten zu sammeln und sie gegeneinander abzuwiegen. Immer und immer wieder. Man fragt sich, ob man vielleicht nach einem schwierigen Gespräch sich hätte entschuldigen sollen oder ob eine Entschuldigung alles schlimmer machen würde. Bei jedem neuen Mal, bei dem man das Problem erneut durchdenkt, wiederholt man mit immer weniger Variationen, was man bereits 8-mal und dann 100-mal und dann 1000-mal schon durchgegangen ist.

An dieser Stelle ist man schon lange nicht mehr in einem lösungsorientierten Modus. Es ist ein Kreisen, ein Wälzen- ein sich selbst fertig machen. Kurz gesagt: Man denkt nicht mehr, man grübelt. Es gibt mehrere Versuche Grübeln genau zu definieren.

Beim Grübeln geht es typischerweise um sich wiederholende Gedanken

  • die meistens unproduktiv sind
  • die von der Stimmungslage eher unangenehm sind
  • bei denen es meist um die eigene Person geht
  • die oft selbstabwertend sind
  • die sich häufig um Vergangenes drehen

Sollte es sich um Themen, die in der Zukunft liegen und die mit Angst verbunden sind, handeln, würde man es klassischer Weise als „sich Sorgen machen“ und nicht als „Grübeln“ bezeichnen.

Wir möchten in den folgenden Abschnitten darauf eingehen, wie sich Grübeln von Nachdenken unterscheidet. Danach werden wir auch darauf eingehen, welche Auswirkungen das Grübeln haben kann und einige Methoden vorstellen, die dabei hilfreich sein können, aus dem Grübeln und Gedankenkreisen herauszukommen. Die hier dargestellten Informationen sind als Orientierung und Übersicht für das Thema gedacht. Eine Therapie sollen und können sie nicht ersetzen.

Grübeln – wenn sich die Gedanken im Kreise drehen

Denke ich noch oder grüble ich schon?

Sollten Sie schon mal über diese Frage nachgedacht haben, ob Sie denken oder grübeln und auf kein Ergebnis gekommen sind und sich dabei vielleicht auch noch Ihre Stimmung getrübt hat, stehen die Chancen gut, dass Sie über diese Frage nicht wirklich nachgedacht, sondern gegrübelt haben. Denken zeichnet sich dadurch aus, dass wir zumindest zu Zwischenlösungen kommen. Natürlich gibt es Probleme, wo wir zu keiner Lösung kommen, aber dann dreht es sich meistens um etwas, bei dem uns wichtige Informationen fehlen. In so einem Fall würden wir aber, wenn wir beim Denken bleiben, erkennen, dass uns Informationen fehlen und versuchen, die Informationen zu bekommen. Wir würden eher nicht das Problem von vorne durchdenken in dem Wissen, dass wir zum derzeitigen Informationsstand zum selben (Nicht-)Ergebnis kommen. Hier liegt der zentrale Unterschied zum Grübeln. Beim Grübeln kommen wir keiner Lösung näher, wiederholen uns gerne in Gedanken und bekommen für gewöhnlich eine schlechte Stimmung oder ein Gefühl der inneren Leere sowie richtige Erschöpfungszustände.

Was passiert, wenn ich über die Arbeit grüble?

In einer Studie von Mark Cropley und Kollegen stellten die Autoren die Frage, wie es sich auf den Menschen auswirkt, wenn er sich häufig mit Inhalten aus der Arbeit in seiner Freizeit beschäftigt. Dabei wurde untersucht, ob Denkprozesse wie Planung, Arbeitsgedächtnis, mentale Flexibilität und zielorientiertes Verhalten davon negativ beeinflusst würden. Es zeigte sich, dass durch arbeitsbezogenes Grübeln mehr Denkfehler entstehen, weniger situationsbezogene Wahrnehmung in der Arbeit vorhanden ist und die mentale Flexibilität nachlässt. Über die Arbeit in seiner Freizeit zu grübeln, raubt einem die Möglichkeit, seine Aufmerksamkeit in seiner freien Zeit voll und ganz auf das Schöne zu richten. Es lässt einen auch insgesamt geistig in einer schlechteren Verfassung zurück. Gerade im Arbeitsleben kann hier eine Abwärtsspirale entstehen. Wenn aus Grübeln und den Sorgen dann auch tatsächlich schlechtere Leistungen und Fehler in der Arbeit sich häufen.

Mein Gehirn als Suchmaschine

Das Gehirn ist ein bisschen wie eine Suchmaschine, die mit jeder Anfrage dazu lernt und noch besser auf Sie zugeschnittene Ergebnisse liefert. Wenn ich häufig genug bestimmte Begriffe eingebe, werde ich passende innere „Videos“ finden. Denke ich häufig genug darüber nach, dass Menschen mich sicherlich dumm oder hässlich finden, wird mein Gehirn Beispiele aus der Vergangenheit suchen, um meine Annahme zu bestätigen. Als Bonus wird mein Gehirn auch Ausschau halten nach Leuten, die mich auf der Straße misstrauisch beäugen. Das führt dann wieder zu einer Bestätigung und ich habe wieder Material, mit dem ich mir abends den Kopf schwindlig grübeln kann, anstatt zu schlafen. Eine der quälenden Begleiterscheinungen bei anhaltendem Grübeln sind häufige Einschlafstörungen. Von hier an ist es nachvollziehbar, wie ein unausgeschlafener Mensch, dessen Gehirn immer mehr individualisierte Grübel- Vorschläge macht, langsam an Lebensqualität einbüßt und auch anfälliger wird für Ängste und Depressionen. Ab hier möchten wir Ihr Gehirn aber nicht mehr mit katastrophalen Suchaufträgen füttern, sondern dazu übergehen, ein paar Hilfen anzubieten.

Was kann man gegen Grübeln tun?

Erstmal kann es sinnvoll sein sich zu überlegen, ob man vielleicht professionelle Hilfe braucht.  Natürlich kann man sich in verschiedene Methoden einlesen und versuchen es selbst zu lösen. Die Erfahrung zeigt aber, dass mit Hilfe eines erfahrenen Therapeuten, schneller Methoden gefunden werden können, die zu einem selbst passen. Zudem kann ein Therapeut abklären, inwieweit sich vielleicht eine Depression, Burnout oder eine Angststörung abzeichnet und mit Ihnen eine umfassendere Behandlung planen. Bedenken Sie auch Ihren Gesundheitszustand von einem Arzt abklären zu lassen. Mit dem Grübeln kommt es auch oft zu Erschöpfungszuständen und irgendwann ist man als Laie überfordert, noch unterscheiden zu können, ob eine Erschöpfung eher durch ein depressives Geschehen oder durch körperliche Schwierigkeiten anhält. Im Folgenden stellen wir drei Beispiele von relativ direkten Interventionen Ihnen vor, die wir als hilfreich erlebt haben. Darüber hinaus ist die Behandlung von Grübeln aber Mitbestandteil der meisten Therapieformen, die wir aber hier aus Platzgründen nicht vorstellen werden.

1. Neurofeedbacktraining

Neurofeedback, wie wir es in unserer Praxis anbieten, kann bei Grübeln auf mehrere Arten hilfreich sein. Zuerst ist es möglich mit dem Neurofeedback das Gehirn so zu trainieren, dass das Nervensystem seinen Erregungszustand insgesamt besser reguliert. Auf der einen Seite besteht dadurch die Möglichkeit sich besser zu entspannen als auch auf der anderen Seite wieder besser in ein gutes Aktivitätsniveau zu kommen. Zudem können tatsächlich auch Bereiche trainiert werden, die viel mit der Regulation bewusster geistiger Aktivität zu tun haben, wie beim Grübeln. Neurofeedbacktraining muss jedoch als Ergänzung zu anderen Methoden gesehen werden, da Grübeln oft etwas mit der Art, wie und worüber wir denken, zu tun hat. Sowohl der eigene Denkstil als auch die Themen, über die man grübelt, müssen besprochen werden, um langfristig eine Verbesserung zu erzielen.

2. Aufmerksamkeitstraining

Es hat sich gezeigt, dass es nicht erfolgsversprechend ist, wenn wir versuchen, nicht an ein Thema zu denken. Also quasi versuchen, einfach aufzuhören mit den Gedanken. Für gewöhnlich geht der Versuch entweder sofort schief oder es dauert wenige Minuten und ohne es zu merken, sind wir wieder bei den alten Themen. Wir kommen also schlecht weg von einem Thema. Aber es hat sich gezeigt, dass wir unsere Aufmerksamkeit trainieren können, um sie zu etwas anderem zu lenken und mit wachsender Übung dann auch dort zu halten. Im Rahmen der „Acceptance Commitment Therapy“ wird zum Beispiel in einer Übung die Aufmerksamkeit erst 30 Sekunden auf den Atem gelenkt und danach beschäftigt man sich 30 Sekunden mit einem vorher ausgesuchten Gedanken. Je nach Konzentrationsfähigkeit pendelt man zwischen Atem und Gedanken mehrfach hin und her. Natürlich atmen wir weiter, wenn wir uns mit dem Gedanken beschäftigen und andersherum wird auch der Gedanke nicht komplett verschwinden, wenn wir mit der Aufmerksamkeit beim Atem sind. Mit der Zeit aber lernen wir, unseren Fokus immer kontrollierter ausrichten zu können. 

3. Expressives Schreiben

Gerade bei der Erarbeitung der relevanten Themen, um die sich das Grübeln dreht, hat sich das „Expressive Schreiben“ nach Professor James W. Pennebaker als gute Methode bewährt. Hierbei wird in der Behandlung auf Basis der Gespräche ein Ausgangsthema festgelegt, über das mehrere Tage täglich etwa 20 Minuten geschrieben wird. Es soll dabei möglichst ohne Unterbrechung geschrieben werden ohne Erwartungen an den Text, was den Inhalt angeht noch an die Grammatik oder den Stil. Oft können durch eine solche ehrliche Auseinandersetzung mit den eigenen Themen starke Gefühle von zum Beispiel Trauer und Ärger entstehen, die dann konstruktiv in der Therapie begleitet und besprochen werden können.

Neben all diesen Interventionen und anderen Interventionen, die bei vielen Menschen zu einer Entlastung geführt haben, bleibt aber jeder Mensch ein Einzelfall. Aufgrund der Tatsache, dass jeder Mensch seine eigene Geschichte und Lebenserfahrungen hat, reichen allgemeine Methoden allein oft nicht aus. Unser Appell an Sie ist der folgende: Versuchen Sie nicht zu lange in Selbstversuche zu verweilen. Jeder hat blinde Flecken und wird diese nur schwer allein in den Griff bekommen.

Verwendete und ergänzende Literatur:

Cropley, M., Zijlstra, F. R., Querstret, D., & Beck, S. (2016). Is work-related rumination associated with deficits in executive functioning? Frontiers in psychology, 7, 1524.

Papageorgiou, C., & Wells, A. (Eds.). (2004). Depressive rumination: Nature, theory and treatment. John Wiley & Sons.

Harris, R. (2010). Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei: ein Umdenkbuch. Kösel-Verlag.

Teismann, T. (2014). Grübeln: wie Denkschleifen entstehen und wie man sie löst. BALANCE Buch+ Medien Verlag