Trauma & Traumatherapie

Was ist ein traumatisches Ereignis?

Ein traumatisches Ereignis ist ein Erlebnis, das von den Betroffenen

  1. als extrem bedrohlich für ihr Leben oder ihre Gesundheit wahrgenommen wurde
  2. und oft Gefühle von Hilflosigkeit, extremer Angst, Verzweiflung und Entsetzen hervorruft.

Zudem wird das Ereignis von einigen nicht mehr bewusst im Ganzen wahrgenommen und es kann zu Dissoziationen kommen.

Es wird häufig zwischen zwei unterschiedlichen Ereignis-Typen unterschieden. Typ 1 sind kurze und einmalige Ereignisse und Typ-2 Ereignisse sind langanhaltend oder wiederholen sich. Besonders traumatische Erfahrungen vom Typ-2 können zu einer sogenannten komplexen Traumafolgestörung führen.

Beispiele für Typ-1 Ereignisse sind: gewaltsame Übergriffe, schwere Verkehrsunfälle oder Naturkatastrophen.

Beispiele für Typ-2 Ereignisse sind: anhaltender Missbrauch in der Kindheit, Gefangenschaften mit Folter oder Kriegserlebnisse.

Eine kleine Anmerkung zur Selbstfürsorge

Obwohl es im Rahmen dieses Übersichtsartikels nicht zu Detailbeschreibungen von möglichen Traumatisierungen kommen wird, soll doch folgender Hinweis beherzigt werden: Wenn Sie als Leser ein Betroffener oder eine Betroffene sind und unter den Folgen einer Traumatisierung – zum Beispiel in Form einer Posttraumatischen Belastungsstörung – leiden, dann nehmen Sie sich bitte einen kurzen Moment und überprüfen Sie, ob jetzt ein guter Zeitpunkt für Sie ist, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Beispiele für ungeeignete Zeitpunkte wären die Mittagspause an einem Tag, an dem Sie sich schon mit dem Chef und Kollegen gestritten haben oder die Lektüre des Artikels zur Nacht, wenn am darauffolgenden Morgen ein wichtiger Termin ansteht. Nehmen Sie sich die (Aus-)Zeit und Ruhe für dieses Thema. Darüber hinaus begrüßen wir es natürlich, dass Sie sich mit dem Thema Trauma auseinandersetzen und sich hier informieren wollen.

Trauma – Traumafolgestörungen – Traumatherapie

Im folgenden Artikel geben wir Ihnen eine grundlegende Übersicht zu dem Thema Trauma. Am Anfang gibt es zunächst einen kurzen geschichtlichen Exkurs zu dem Begriff Trauma und anschließend wird der Begriff Trauma definiert. Danach wird erklärt, was im Gehirn bei einer Traumatisierung passiert. Anschließend wird erläutert, welche Symptome dabei entstehen können und was eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist. Im letzten wichtigen Absatz gehen wir auf  verschiedene Möglichkeiten der Behandlung ein.

Wie hat sich der Traumabegriff geschichtlich entwickelt?

Im Jahr 1867 wurden in einem Artikel von John Ericksen Symptome, die bei einigen Personen nach Unfällen mit Zügen entstanden, diskutiert, ob es sich um Rückenmarksverletzungen handeln könnte. Die beschriebenen Symptome waren Angst, Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, Schlafprobleme, Alarmiertheit, Albträume sowie diverse körperliche Beschwerden. Das Phänomen wurde das Eisenbahn-Rückgrat-Syndrom genannt.

Im ersten Weltkrieg wurden viele Männer wegen eines Soldatenherzens und eines Granatenschocks aus dem Dienst entlassen. Bei dem Granatenschock ging man davon aus, dass extrem kleine Teile von detonierten Bomben ins Gehirn gelangt waren.

Erst in Folge des Vietnamkrieges rückte man langsam von körperlichen Erklärungsmodellen ab und konzentrierte sich stattdessen mehr auf die Symptome und wie diese berichtet wurden. Dabei zeigte sich, dass vor allem die Erinnerungen an bestimmte extreme bedrohliche Situationen einen starken Zusammenhang mit den Symptomen hatten. Erst im Jahr 1980 nahmen Forscher die Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung in das amerikanische Diagnosesystem DSM III mit auf. Seitdem mussten die Auslöser für eine PTBS immer wieder überdacht werden, da sich herausstellte, dass nicht nur Kriegserlebnisse zu den typischen Symptomen führen konnten. Gleichzeitig wurde dennoch versucht die Definition nicht zu breit anzulegen, damit am Ende nicht verschiedene Erkrankungen den gleichen Namen bekommen würden. Derzeit passt man die Definition alle zehn bis 20 Jahre an die aktuellen Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus der Praxis an. Wenn Sie jedoch zu einem erfahrenen Traumatherapeuten gehen, sollte dieser die aktuellen Forschungsergebnisse und Definitionen kennen und diese berücksichtigen.

Wie wird ein traumatisches Ereignis definiert?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat das ICD-10, ein Klassifikationssystem der Krankheiten, herausgegeben. In diesem System wird ein traumatisches Ereignis als „…ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde“ definiert.

Tatsächlich existieren viele weitere Definitionen, wobei der Kontext beachtet werden muss. Wenn in Deutschland eine Diagnose gegeben wird, bei der ein traumatisches Ereignis eine Rolle spielt, wie zum Beispiel die Posttraumatische Belastungsstörung, dann gilt die genannte Definition nach ICD-10. Da das Wort Trauma aber aus dem Griechischen kommt und eigentlich ”Wunde“ bedeutet, liegt es nahe, dass es oft auch in anderen Kontexten gebraucht wird. Zum Beispiel kann es sein, dass jemand im Alltag von Traumatisierung spricht, wenn dieser ein für ihn sehr belastendes Ereignis meint, welches aber nicht die oben genannten Kriterien erfüllt. Dabei kann es sich um eine misslungene Prüfungssituation handeln, den Verlust des Arbeitsplatzes oder eine Trennung. Tatsächlich können alle genannten und noch viele andere Beispiele zu starkem Leiden und zu Beeinträchtigungen in der Lebensgestaltung führen und in manchen Fällen eine Therapie notwendig machen. Gerade in der Psychotherapie ist es aber sehr hilfreich, den Traumabegriff etwas enger zu fassen. Das ist wichtig, da bestimmte Symptome, die durch eine Traumatisierung im engeren Sinn (vgl. Definition lt. ICD-10) entstehen, einen eigenen therapeutischen Zugang benötigen.

Was passiert im Gehirn bei einer Traumatisierung?

Bei Traumatisierungen reagiert das Gehirn in einem Ausnahmezustand. Das heißt, es werden ganz rudimentäre – also grundlegende – Mechanismen zur Sicherstellung des Überlebens aktiviert. Diese sind die berühmten drei F`s aus dem Englischen für „fight, flight or freeze” (Kampf, Flucht oder Erstarren bzw. Totstellen). Um diese Mechanismen schnell genug bereit zu stellen, weicht das Gehirn von seiner alltäglichen Art der Informationsverarbeitung und Speicherung stark ab. Das bedeutet, die Art wie wir Eindrücke wahrnehmen und wie wir sie ins Gedächtnis abspeichern, verändert sich. Wenn wir in einer normalen Alltagssituation etwas erleben, nehmen wir alles über unsere Sinnesorgane war, also über das Sehen, das Hören, den Geruchsinn, den Tastsinn sowie den Geschmackssinn. Diese Sinneseindrücke – außer dem Geruchsinn, der über eine andere Struktur  läuft- , werden im Gehirn, genauer im Thalamus erstmal gefiltert. Das ist wichtig, da wir ohne Filter mit der Flut an Eindrücken in jeder Sekunde nicht zurechtkommen würden. Neben dem Filter werden die Eindrücke zudem noch mit bekannten Eindrücken abgeglichen und dann in einen Zusammenhang gebracht und abgespeichert. Diese Aufgabe wird zu einem großen Teil vom Hippocampus im Gehirn übernommen. Um eine Situation auch noch emotional zu bewerten, besonders in Momenten der Gefahr und der damit verbundenen Angst, ist die Amygdala (Mandelkern) zentral. Diese drei Teile des Gehirns Thalamus, Hippocampus und Amygdala sind also von zentraler Bedeutung für die Verarbeitung, Bewertung und Speicherung von Erfahrungen. Sie sind im stetigen Abgleich untereinander, ohne dass wir bewusst eingreifen müssten oder überhaupt etwas von diesen Prozessen wahrnehmen.

Im Falle einer Traumatisierung wird die Situation von der Amygdala als Gefahr eingestuft und aktiviert in der Folge die sogenannte Stressachse (Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde). Ein Hormoncocktail aus Noradrenalin, Kortisol und teilweise auch Opiaten wird vom Körper ausgeschüttet. Durch die massive Erregung im Nervensystem kann es dann dazu kommen, dass der Informationsaustausch zwischen den für das Gedächtnis wichtigen Gehirnstrukturen gestört wird. Besonders häufig sind dabei die Prozesse betroffen, die nötig sind, um ein Erlebnis sprachlich und in zeitlich sinnvoller Reihenfolge abzuspeichern. Es zeigt sich, dass die Broca-Areale, die im Gehirn eine wichtige Rolle für die Versprachlichung spielen, bei Trauma-Erinnerungen minderaktiviert sind. Das lässt vermuten, dass dies auch bei der Traumatisierung der Fall ist. Zudem zeigten Untersuchungen, dass bei Menschen mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung auch der Hippocampus kleiner ist. Es wird vermutet, dass sich der Hippocampus bei einer enormen Stressreaktion während und nach einem traumatischen Ereignis zunehmend verkleinert. Dadurch, dass Teile des Sprachzentrums (Broca-Areale) als auch der Hippocampus in ihrer Funktion gestört bzw. gehemmt werden, kommt es dazu, dass die Eindrücke während des traumatischen Ereignisses anders gespeichert werden als neutrale Situationen.

Häufig ist die Erinnerung daran zeitlich nicht richtig geordnet und wenig sprachlich abgespeichert. Dadurch wird es auch schwieriger das Geschehene in unsere Lebensgeschichte zu integrieren. Durch die mangelnde Integration in einen sprachlichen und zeitlichen Rahmen, bleiben die Eindrücke „pur“ und unverarbeitet. Das führt dann dazu, dass wenn die Betroffenen an die Erinnerung denken diese extrem lebendig ist und der Eindruck entsteht, dass das Erlebte wieder geschieht. Die Personen haben dann einen sogenannten „Flashback” , bei dem einzelne Sinneseindrücke eins zu eins wiedererlebt werden. Zum Beispiel das Geräusch quietschender Reifen oder die ganze Szene. Die Erinnerung bekommt eine sogenannte „Hier und Jetzt“- Qualität.

Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass man durch bildgebende Verfahren in der Hirnforschung und durch insgesamt stetige Bemühungen der Forschung inzwischen sehr viel über die Zusammenhänge von Entstehung und Aufrechterhaltung von Traumafolgesymptomen weiß. Es bleiben trotzdem noch viele Fragen offen und alle Modelle zur Erklärung der Abläufe im Gehirn bleiben vereinfacht. In dem hier vorgestellten Modell wurde versucht, den möglichst kleinsten gemeinsamen Nenner der uns bekannten Forschungen und Lehrmeinungen zu finden und wiederzugeben.

Was passiert, wenn ein Trauma geschehen ist ?

Wenn ein Trauma geschehen ist, müssen sich keine Symptome bilden und es muss auch nicht automatisch eine Posttraumatische Belastungsstörung vorliegen! Es ist hier wie bei körperlichen Verletzungen: Eine Wunde kann zunächst schlimm aussehen und auch stark schmerzen, das heißt aber nicht, dass sie nicht gut von selbst verheilen kann. Wir sind als Menschen in der Lage relativ viel in unsere Lebensgeschichte zu integrieren. Aber natürlich sind dem Grenzen gesetzt. Eine häufige Frage ist: Warum entwickeln manche Menschen schneller Symptome als andere ?

Darauf gibt es verschiedene zutreffende Antworten. Jede Traumatisierung läuft im Detail anders ab und ist daher nicht vergleichbar. Zudem ist jeder Mensch in seiner Biographie mit seinen ganz eigenen Umständen einzigartig. Es ist zum Beispiel möglich, dass ein Mensch im Laufe seines Lebens so viel Sicherheit und Unterstützung erfahren hat, dass sich in ihm ein starkes Gefühl von Vertrauen ins Leben festigen konnte, auf das die Person nach einem traumatischen Ereignis zurückgreifen kann. Aber auch das ist nur einer von vielen Faktoren. Eine große Falle ist die Selbstmedikation mit Alkohol. Einige Menschen schaffen es, ihre Symptome mit Alkohol für geraume Zeit erträglich zu machen. Dabei kommt es häufig vor, dass die Betroffenen sich selbst und ihrem Umfeld etwas vormachen und dabei viel zu lange warten, um sich Hilfe zu holen. Im schlimmsten Fall chronifizieren sich die Symptome, die in Folge der Traumatisierung entstanden sind, und es entwickelt sich zusätzlich eine Alkoholsucht.

Es können sich also verschiedene Symptome und Krankheiten herausbilden, wobei die Posttraumatische Belastungsreaktion die Prominenteste, aber nicht die Einzige ist. Es ist auch möglich, eine Depression, ein psychosomatisches Beschwerdebild oder wie eben thematisiert ein Suchtverhalten zu entwickeln. Trotzdem soll im Folgenden die PTBS genauer betrachtet werden, da sich hier die Traumatisierung am direktesten bzw. eindeutigsten in Symptomen manifestiert.

Was sind die Symptome einer  Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ?

Unter den Kernsymptomen der PTBS versteht man

  1. das beharrliche und eindringliche Wiedererleben
  2. das Vermeiden von Reizen, die an das Trauma erinnern
  3. ein erhöhtes Arousal (Schreckhaftigkeit, Anspannung, Schwierigkeiten beim Einschlafen)

Wenn Symptome aus allen drei Bereichen auftreten und länger als einen Monat andauern, spricht man von einer Posttraumatischen Belastungsstörung.

Bitte beachten Sie, dass sich die Symptome bei Kindern teilweise auch anders als hier beschrieben äußern können.

Kernsymptom Wiedererleben:

Dieses Wiedererleben, das unterschiedlich ausgeprägt sein kann, ist ein Hauptsymptom bei der Posttraumatischen Belastungsstörung. Oft handelt es sich um aufdrängende Erinnerungen und Albträume, bei denen sich das Ereignis wieder innerlich abspielt. Die Erinnerungen können dann im Extremfall eine „Hier und Jetzt“- Qualität aufweisen und die Formen eines „Flashbacks“ haben, wie es weiter oben bei den Vorgängen im Gehirn beschrieben wurde. Für dieses Symptom sind diverse Behandlungsformen in der Psychotherapie entwickelt worden, die sogenannten Konfrontationstechniken. Einige der Konfrontationstechniken, die in der Therapie der PTBS angewandt werden und deren Ablauf sind im späteren Verlauf des Artikels beschrieben.

Kernsymptom Vermeidung:

Ein zweites zentrales Symptom ist die Vermeidung. Vermeidung ist die wahrscheinlich typischste Reaktion eines Menschen auf Dinge, die ihm Angst machen. Dabei zeigt sich, dass Ängste durch Vermeidung kaum eine Chance haben zu verschwinden. Meistens werden sie sogar größer. Nach einer Traumatisierung wird für gewöhnlich alles vermieden, was an das Trauma erinnert. Unter anderem aufgrund der Tatsache, dass die Erinnerung– wie weiter oben erwähnt – eine starke „Hier und Jetzt“- Qualität aufweist und damit noch unangenehmer ist. An dieser Stelle sei wieder ein Hinweis angebracht: Sollten Sie sich als Betroffene oder Betroffener mit dem Thema Angst schon beschäftigt haben, werden sie immer wieder auf die sogenannte „Exposition” gestoßen sein. Das ist die Auseinandersetzung mit dem angstauslösenden Reiz. Exposition ist eine sehr erfolgversprechende Intervention innerhalb einer Psychotherapie, aber es ist nicht zu empfehlen, sich ohne Absprache mit einem erfahrenen Therapeuten – quasi in Eigentherapie- mit diesen Reizen zu konfrontieren. Dabei kann es schnell zu einer Überforderung kommen und das Gehirn macht  dann eine negative Lernerfahrung.

Kernsymptom Hyparousal:

Der dritte Symptombereich ist das sogenannte „Hyperarousal“, also Übererregung. Das heißt, dass Sie wahrscheinlich mit einer PTBS schreckhafter, lärmempfindlicher, vielleicht gereizter oder insgesamt ängstlicher bei hoher innerer und vielleicht auch äußerer Anspannung geworden sind. Zudem kommt es auch häufig zu Schwierigkeiten beim Einschlafen. Um das Nervensystem davon zu überzeugen, wieder ruhiger zu werden, ist es  nötig, einen vertrauensvollen Kontakt in der Psychotherapie herzustellen und dann dezidiert nach Möglichkeiten zu suchen, wie sich der jeweilige Patient in seiner Lebenssituation besser entspannen kann. Dabei sind klassische Entspannungsverfahren für viele erst einmal überfordernd und müssen individuell angepasst werden. An dieser Stelle kann für einige auch eine Neurofeedbacktherapie nach der Othmer-Methode interessant sein, da es hier insbesondere um die Selbstregulation des Nervensystems geht. Diese Methode bieten wir in unserer Praxis an.

Auch das Thema Schlafhygiene spielt eine große Rolle. Wobei einschränkend gesagt werden muss, dass – je nach Ausprägung der oben genannten Symptome – die Schlafhygiene häufig erst dann effektiv umgesetzt werden kann, wenn die anderen Symptome gelindert sind.

Ein weiteres Symptom Gedankenkreisen:

Ein weiteres, in der Praxis häufig beobachtetes Symptom, ist das Gedankenkreisen bzw. Grübeln. Da es sich hierbei um ein Symptom handelt, das bei vielen psychischen Problemen auftritt, haben wir einen eigenen Artikel dazu geschrieben. Diesen können Sie hier nachlesen: Grübeln – wenn sich die Gedanken im Kreise drehen

Darüber hinaus ist es möglich, zusätzlich zu den PTBS-spezifischen Symptomen auch Symptome einer Depression und weiterer psychischer Störungen zu entwickeln.

 

Welche verschiedenen Möglichkeiten der Behandlung und Interventionen gibt es?

Im Folgenden wird eine Auswahl von Interventionen vorgestellt. Es handelt sich nur um eine Auswahl, weil es zum einen eine beständige Entwicklung von Methoden und Submethoden gibt, und zum anderen hier nur Methoden vorgestellt werden, mit denen wir in der Psychologischen Praxis Baklayan auch tatsächlich Erfahrungen in der Behandlung gemacht haben. Der Bereich der Medikamente wird hier nicht weiter besprochen. Hierzu bitten wir Sie, sich von Ihrem Hausarzt oder Psychiater beraten zu lassen, da bei diesen Berufsgruppen die notwendige Expertise zu dem Thema liegt. Die alleinige Therapie der PTBS durch Medikamente wird durch den Expertenkonsens in den S3 Leitlinien zur Posttraumatischen Belastungsstörung nicht empfohlen.

Welche Phasen gibt es in der Traumatherapie?

In der Behandlung der Traumafolgestörungen werden klassisch drei Phasen unterschieden

  1. Stabilisierung
  2. Konfrontation
  3. Integration

Zudem ist es wichtig zu klären, ob insgesamt ein Minimum an Sicherheit im Leben herrscht. Zum Beispiel wird geklärt, ob es Kontakt zu dem Täter gibt, der zu neuen, gegenwärtigen Traumatisierungen führen kann.

Die Bedingung keinen Täterkontakt zu haben, hat sich bei vielen Therapeuten inzwischen aufgeweicht. Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine direkte Traumabearbeitung bei Täterkontakt, der aktuell bedrohlich ist, nicht funktioniert. Dennoch kann eine Psychotherapie mit einem erfahrenen Traumatherapeuten hilfreich sein, um eventuell seine eigenen Lebensumstände soweit zu verändern, dass eine Traumatherapie möglich wird. Zudem hat sich gezeigt, dass bei einigen Patienten die Scham noch mit dem Täter Kontakt zu haben so groß ist, dass sie nicht in der Therapie berichtet wird. Vor allem aber steckt in der Besprechung und der Behandlung von Schuld und Schamgefühlen ein riesiges therapeutisches Potential, um Sicherheit und Stabilität zu erlangen. Durch ein zu starkes Verbot des Täterkontakts würden viele Therapeuten nichts von dem Kontakt erfahren und würden somit eine wichtige Chance in der Therapie ungenutzt lassen.

Stabilisierungsphase:

In dieser Phase wird viel daran gearbeitet, zu lernen die eigenen Emotionen sowie die Überregtheit zu regulieren. Dafür muss zuerst eine vertrauensvolle und tragfähige therapeutische Beziehung aufgebaut werden. Es werden innere und äußere Ressourcen aktiviert und aufgebaut. Es wird gefragt: Wo gibt es Bereiche, die sich besser und sicherer anfühlen? Welche Fähigkeiten standen dem Menschen vor der Traumatisierung zur Verfügung und können reaktiviert werden? Mit solchen und ähnlichen Fragen beschäftigt man sich.

Weiter gehören zu den Stabilisierungstechniken viele Imaginationsübungen, bei denen man sich spezifische Szenen vorstellt, wie beispielsweise den „sicheren inneren Ort“ nach Reddemann. Im Falle des sicheren inneren Ortes werden unter Begleitung des Therapeuten innere Bilder und Sinneseindrücke gefunden, die im Gehirn mit Sicherheit als Gegenpol zu Angst und Gefahr verbunden oder verknüpft sind. Diese werden systematisch zu einem Gesamtbild in der Vorstellung zusammengefügt und geübt. Da einige Menschen große Schwierigkeiten damit haben, für sich stimmige, innere Bilder zu finden, braucht es gerade hier therapeutische Erfahrung, um diesen Prozess gut zu begleiten. Es werden auch Entspannungsverfahren besprochen und für den Einzelnen in einer individuellen, passenden Art geübt.

Ein großes Thema ist bei vielen auch Schuld- und Schamgefühle sowie selbstabwertende Gedanken, die immer wieder destabilisierend wirken. Bei Patienten, die massiv unter Flashbacks leiden, ist es oft nicht möglich erst die Stabilisierungsphase zu beenden, da die Flashbacks zu stark destabilisierend wirken. Hier ist es notwendig, gekonnt zwischen Konfrontationsphasen und Stabilisierungsphasen zu pendeln, da Flashbacks häufig nur durch Konfrontationsmethoden besser werden.

Konfrontationstechniken:

– Prolongierte Exposition (PE) nach Edna Foa

Die prolongierte Exposition nach  Edna Foa ist eine der ersten systematischen Konfrontationsmethoden bei der Behandlung der PTBS. Dabei wird die Traumatisierung durch den Patienten in der Psychotherapie berichtet. Durch die Anwesenheit des Therapeuten und dessen Rückfragen entsteht eine Art kontrolliertes Wiedererleben. Der Hippocampus bekommt die Möglichkeit, die einzelnen Aspekte der Traumatisierung Stück für Stück in die Biographie einzufügen, wie es auch bei anderen Erinnerungen geschieht. Wie weiter oben ausgeführt, ist der Grund der häufigen Flashbacks, dass genau dieser Prozess des Einordnens durch den Hippocampus bei der Traumatisierung nicht ausreichend stattgefunden hat.

– Narrative Expositionstherapie (NET) nach Maggie Schauer, Frank Neuner und Thomas Elbert

Die NET ähnelt dem Vorgehen der Prolongierten Exposition. Der Unterschied liegt vor allem darin, dass in der NET mehr darauf geachtet wird, dass der Patient den Unterschied zwischen damals und heute wahrnimmt. Zudem werden in der NET die einzelnen Sinnesmodalitäten differenzierter abgefragt. Das hat den Hintergrund, dass Flashbacks nicht nur in Form von Bildern, sondern häufig auch in Form von Körperempfindungen, Gerüchen oder Geräuschen vorkommen können.

– Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy (IRRT) nach Mervyn Schmucker

Diese von Herrn Schmucker entwickelte Methode verbindet drei wesentliche Elemente einer Traumatherapie. Eine IRRT-Sitzung besteht aus drei Phasen. Dabei wird in der ersten Phase die Erinnerung direkt abgerufen, wie in der Prolongierten Exposition. Während dieser Phase ermittelt der Therapeut, an welcher Stelle bei der Traumatisierung sich die Angst vor dem Täter am stärksten eingeprägt hat. Es wird dann in der zweiten Phase eine innere Auseinandersetzung mit dem Täter angestrebt. Dabei geht es vor allem darum, sich aus dem inneren Erstarren und dem Gefühl der Hilflosigkeit zu befreien. Es ist immer wieder beeindruckend zu sehen, dass die Psyche ein so lebendiges inneres Bild von Tätern aufrechterhält, so dass viele Menschen kaum noch sprechen können, wenn sie an den Täter denken, auch wenn dieser vielleicht schon lange im Gefängnis sitzt oder bereits vor vielen Jahren verstorben ist. Nach der zweiten Phase leitet die IRRT in einer dritten Phase die Auseinandersetzung mit dem verletzten inneren Anteil ein. Im Unterschied zu vielen anderen Therapien wird dabei keine Zielvorstellung vorgegeben wie zum Beispiel das Ziel, dass man sich um sich selbst kümmern soll. Da es auch hier Beispiele gibt, bei denen sich Menschen dafür hassen, dass sie vor oder während der Traumatisierung nicht anders reagiert haben, erscheint es in solchen Fällen erst einmal schwer vorstellbar, wie diese Menschen sofort in einen selbstfürsorglichen Modus kommen sollen. Hier begleitet der Therapeut den Patienten durch die Selbstvorwürfe und Selbstabwertungen und integriert dies in den psychotherapeutischen Verlauf.

Natürlich kommt es auch vor, dass nachdem sich die Angst vor dem Aggressor reduziert hat in der zweiten Phase eine schnelle und wohlwollende Annäherung an sich selbst möglich ist.

Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) nach Francine Shapiro

Auch wenn der Name anfangs verwirrend erscheinen mag, so steckt doch hinter dieser Methode, eine der am wirksamsten erforschten Methoden bei der Behandlung der PTBS. Bei dieser Methode werden zuerst sorgfältig Gedanken, Gefühle und Empfindungen, die der Betroffene in Bezug auf die Traumatisierung hat, erfragt. Zudem wird direkt mit dem Teil der Traumatisierung gearbeitet, den der Betroffene für sich am schlimmsten identifiziert und der damit auch am stärksten die Lebensqualität einschränkt. Diese Arbeit ist relativ komplex und erfordert Erfahrung von Seiten des Therapeuten im Umgang mit traumatisierten Menschen. Der Patient wird dann Aspekte der Traumatisierung innerlich fokussieren, während er dem Finger des Therapeuten mit den Augen von links nach rechts, hin und her für einen bestimmten Zeitraum folgt. Auch wenn dieses Vorgehen an alte Filmdarstellungen von Hypnose mit einer pendelnden Taschenuhr erinnert, handelt es sich bei dieser Methode nicht um eine Form der Hypnose. Die Rechts-Links-Bewegung hat den Hintergrund, Gehirnareale sowohl auf der rechten Seite als auch auf der linken Seite in die Trauma-Bewältigung zu integrieren. Zudem ist der Außenfokus (Augen schauen auf den Finger), der gleichzeitig mit den Erinnerungen abläuft, wichtig, um wiederum eine psychische Trennung zwischen dem, was geschehen ist und sich ausschließlich innerlich wiederholt und dem, was heute geschieht und auch im Außen stattfindet, zu erreichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Konfrontationsmethoden für Personen mit dem Hauptsymptom Vermeidung eher kontraintuitiv wirken. Dennoch sind sie, wenn sie durch einen erfahrenen Therapeuten durchgeführt werden, oft das Mittel der Wahl.

Integrationsphase:

Nachdem die Hauptsymptome abgeklungen sind oder ein erster Umgang damit gefunden wurde, bleibt oft die Frage, wie es weitergeht. Sprich also, wie sich diese Lebenserfahrung mit der eigenen Zukunft vereinbaren lässt. In diesem Zusammenhang leiden einige Menschen unter einer massiven Verbitterung. Bei manchen Menschen ist diese Verbitterung so ausgeprägt, dass diskutiert wird, ob es eine Diagnose der „Posttraumatischen Verbitterungsstörung“ geben sollte. In der Integrationsphase gibt es in dem Sinne keine Interventionen. Es gilt alle Bestandteile noch einmal zu sichten und miteinander zu verbinden, um dann voranschreiten zu können.

Wir hoffen, dass Ihnen dieser Artikel einen ersten Eindruck zu dem Thema Trauma gegeben hat. Haben Sie keine Sorge, falls Sie verwirrt sind oder noch viele, offene Fragen haben. Das könnte daran liegen, dass das Themenfeld sehr komplex ist und viele Lehrbücher füllt. Wir haben die Themen „Symptomkomplex der Dissoziationen“ sowie die komplexe „Traumafolgestörung“ in diesem Übersichtsartikel nicht besprochen. Diese Bereiche sind uns ebenfalls sehr wichtig, hätten aber diese Zusammenfassung endgültig überfrachtet.

 

Sollten Sie sich in der Nähe von München oder sogar in Taufkirchen aufhalten, können Sie auch gerne ein Beratungsgespräch mit uns vereinbaren. In der Psychologischen Praxis Baklayan schätzen wir mit Ihnen zusammen ein, welcher Behandlungsplan für Sie sinnvoll ist. Dabei schauen wir uns an, wie viel Stabilisierung notwendig ist und welche Konfrontationsmethode erfolgversprechend für Sie sein kann.

 

In jedem Fall wünschen wir Ihnen von Herzen eine gute Zeit.

Ihre Psychologische Praxis Baklayan

 

Verwendete und ergänzende Literatur:

Dilling, H., Freyberger, H. J., Mombour, W., Schulte-Markwort, E., & Organisation mondiale de la santé. (2006). Internationale Klassifikation Psychischer Störungen: ICD-10 Kapitel V (F): diagnostische Kriterien für Forschung und Praxis. H. Huber.

Flatten, G. (2011). Neuropsychotherapie der Posttraumatischen Belastungsstörung. Trauma und Gewalt, 5(3), 264-275.

Flatten, G., Gast, U., Hofmann, A., Knaevelsrud, C., Lampe, A., Liebermann, P., & Wöllern, W. (2011). S3–LEITLINIE Posttraumatische Belastungsstörung ICD-10: F43. 1. Trauma und Gewalt, 5(3), 202-210.

Foa, E. B., Hembree, E. A., & Rothbaum, B. O. (2014). Handbuch der Prolongierten Exposition: Basiskonzepte und Anwendung-eine Anleitung für Therapeuten. Probst, GP Verlag.

Hofmann, A. (Ed.). (2014). EMDR: Praxishandbuch zur Behandlung traumatisierter Menschen. Georg Thieme Verlag.

Maercker, A. (Ed.). (2013). Posttraumatischen Belastungsstörungen. Springer-Verlag.

Reddemann, L. (2010). Imagination als heilsame Kraft. 15. Aufl. Stuttgart (Klett-Cotta).

Saß, H., Wittchen, H. U., Zaudig, M., & Houben, I. (2003). Dsm-IV-TR. Diagnostische Kriterien. Hogrefe, Göttingen.

Schauer, M., Schauer, M., Neuner, F., & Elbert, T. (2011). Narrative exposure therapy: A short-term treatment for traumatic stress disorders. Hogrefe Publishing.

Schmucker, M., & Köster, R. (2014). Praxishandbuch IRRT: Imagery Rescripting & Reprocessing Therapy bei Traumafolgestörungen, Angst, Depression und Trauer (Vol. 269). Klett-Cotta.

Wittchen, H. U., & Falkai, P. (2015). Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen DSM-5. Bern: Hogrefe.

 

Eigene Beiträge:

Baklayan, A., Riedmayer, R. & Heine, J.-H. (2015). Evaluation „Traumabezogenes Schuld-und Schamscreening“.https://www.researchgate.net/publication/332333257_Evaluation_Traumabezogenes_Schuld-und_Schamscreening

Mayer G., & Unger A., (Hrsg.). (2017). Begegnung mit dem Leid. Sensibel recherchieren und berichten. Deutsche Journalistenschule München http://www.zeilenmacher.de/gisela-mayer-andreas-unger-hg-muenchen-2017/